Kontemplative Kanzel

2021

Emmanuel Walderdorff Galerie

Change! HochStand

Gruppenausstellung mit Heike Kati Barath, Oliver Gather, Jan Gmeinhardt, Hubertus Hess, Sarah Iremonger, Paul Mayer, Minyoung Park, Beate Passow, Hans Pfrommer, Philipp Schönborn

Die Künstler der Ausstellung finden in der motivischen Ambivalenz des Hochstands und seiner Weigerung sich eindeutig einzuordnen eine spezifische Qualität. Denn für ein Gebilde, dessen Existenz so radikal auf einer simplen Zweckmäßigkeit beruht, birgt es eine enorme Formenvielfalt und ein erhebliches Maß an ikonographischer Eigenständigkeit. Die Ambition des Waidmanns, sein Bauwerk möglichst nahtlos in die Natur zu integrieren teilt er mit so manchem Architekten. Gleichzeitig repräsentiert der Hochstand in seiner Archaik so etwas wie die Urform von Architektur überhaupt. Als reines Symbol wiederum verkörpert er einen Ort der Ruhe, aber insbesondere als historisches Motiv auch die Herrschaft und das damit verbundene Privileg zur Jagd. Hinter alledem steht der Hochstand mit seinem ganz pragmatischen Hintergrund jedoch auch für eine ungemütliche und im Kontext der Ausstellung zentrale Erkenntnis: In Zeiten, in denen ein Großteil unserer Bäume dem Untergang geweiht ist, bleibt der Wald kein Ort des reinen Idylls mehr, sondern ist längst ein solcher, an dem die Krise direkt lesbar wird. Bei der Aufforstung mit Baumarten, die den Herausforderungen des Klimawandels gewachsen sind, wird die Jagd, indem sie die Schäden durch Wildverbiss an jungen Pflanzungen reguliert, eine wesentliche Rolle spielen. In diesem Spannungsfeld der konträren Deutungen und Bedeutungen führt unsere Ausstellung Künstler zusammen, die in der Auswahl des Motivs einen gemeinsamen Nenner fanden, dem sie sich jedoch von weit voneinander entfernt liegenden Positionen aus nähern.“ Emmanuel Walderdorff Galerie, Molsberg

 

Es gibt Ikonen, die so tief eingebrannt sind ins kollektive Bildgedächtnis, dass man sich über ihre besondere Bedeutung gar nicht mehr aktiv bewusst ist. Der Hochstand zählt zu dieser seltenen Art. Dass allgemein die Jagd ihren festen Platz im stereotypen Bild über die Deutschen und ihr Land einnimmt, ist unstrittig. Dabei ist sie in der Praxis für den Großteil der Bürger eine recht ferne Angelegenheit, denn nur ein geringer Teil der Bevölkerung ist im Besitz eines Jagdscheins. Der Hochstand jedoch ist für alle sichtbar, die sich nicht ganz unaufmerksam durch die Welt bewegen. Er begegnet einem jeden von uns immer wieder bei Spaziergängen und Ausflügen.

 

Nach “Hoch Sitzen” wurde 2021 eine weitere Skulptur realisiert, die den kontemplativen Aspekt des Hochsitzes behauptet. In der “Kontemplativen Kanzel” fehlt die Spiegelung im Gegenüber, so dass der/die Nutzer*in sich ausschließlich mit sich selbst beschäftigen kann.

Im angrenzenden Park zur Ausstellung führt Oliver Gather das Augenmerk zurück auf den Menschen, indem er eine kontemplative Kanzel als materialisierte Selbstreflexion konstruiert: Da wo die Luke sonst den Blick freigibt in die Landschaft, führt bei Gathers Bau eine schlaufenförmige Röhre zurück in die Kanzel. So schließt sich ganz buchstäblich ein Kreis.

 
 
 
 
 
 
 

Kontemplative Kanzel, Emmanuel Walderdorff Galerie, Molsberg, Westerwald, 2021

Kontemplative Kanzel, Holz, Teerpappe. Maße 3,0m x 1,20m x 1,20m